Ein neues Zeitalter gestalten

Nachricht 14. November 2022
Dach- und Fassadenbegrünungen werden immer wichtiger. Allerdings können sie innerstädtische Grünflächen, die der Nachverdichtung zum Opfer fallen, nicht ersetzen. (Foto: Jens Schulze)

Herausforderung und Privileg unserer Generation. Von Prof. Dr. Daniela Jacob

Seit der Industrialisierung hat sich die globale Temperatur im Durchschnitt um etwas mehr als ein Grad Celsius erhöht. Der Temperaturanstieg setzt sich fort, wenn wir weiter Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen. In Deutschland spüren wir die Folgen des Klimawandels zum Beispiel an den leicht verschobenen Jahreszeiten. Wir erleben mehr Dürrejahre. Es gibt mehr Starkregenereignisse. Im Ahrtal führte dies im vergangenen Jahr zur Katastrophe.

Unser Wohlstand hängt auch vom Wetter ab. Wenn es zu heiß wird, sinken nicht nur die Nahrungsmittelproduktion, sondern auch die menschliche Arbeitsleistung. Unsere Infrastruktur, unsere Verkehrsnetze kommen mit den neuen Wetter variabilitäten nicht gut zurecht. Städte sind auf Hitzeperioden und Starkregenszenarien nur unzureichend vorbereitet. Häufig sind Fußgängerzonen in den Innenstädten zubetoniert. Bei Windstille führt dies zu Hitzestau und bei Starkregen zur Überflutung.

Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir uns klimaresilient aufstellen. Um die Menschen in den Ballungszentren besser zu schützen, wird es nötig sein, die Städte so umzubauen, dass sie nicht überhitzen. Indem wir asphaltierte oder betonierte Flächen entsiegeln, mehr Vegetation in die Städte bringen und zum Beispiel Bachläufe anlegen, haben wir drei Dinge auf einen Schlag gewonnen. Mit mehr Grünflächen und Bäumen verbessern wir unsere Luftqualität und binden CO2. Gleichzeitig generieren wir auf diese Weise Verschattungs- und Kühlungseffekte. Schließlich beugen wir der Überflutung bei Starkregen vor. Wenn alle Maßnahmen gut aufeinander abgestimmt werden, steigert dies sogar das Wohlergehen. Denn Innenstädte werden wieder grüner und lebenswerter.

In Zukunft muss es selbstverständlich werden, dass wir bei all unseren Aktivitäten, ob privat oder öffentlich, Klimaschutz und Klimarisiken mitdenken. Das heißt: Zum einen die Klimawirk-samkeit jeder Unternehmung reduzieren, indem wir fragen, wie wir beim Bau eines Gebäudes oder einer Urlaubsreise den CO2-Fußabdruck so klein wie möglich halten können. Zum anderen müssen wir Investitionen so planen, dass sie den Klimafolgen angepasst sind. Wer ein neues Einkaufszentrum entwirft, muss vorher klären, ob der Standort im Überschwemmungsgebiet liegt. Wer ein Moor wieder vernässen will, damit es mehr Kohlenstoff bindet als es abgibt, muss ermitteln, ob es dort künftig genügend Wasser gibt, um die Wieder vernässung dauerhaft zu gewährleisten. Die Klimadaten dazu liegen vor.

Wir haben in den nächsten zehn Jahren die Verpflichtung, aber auch die Chance, ein neues Zeitalter mitzugestalten. Ein Zeitalter, das klimafreund-licher, klimaresilienter, nachhaltiger und gerechter ist. Anders als früher wissen wir heute genau, wie wir die Abhängigkeit von den fossilen Energien und die Umweltzerstörung reduzieren und wie wir innovative neue Jobs, neue Lebensformen, neue Strukturen kreieren können. Für unsere Generation sind dies Herausforderung und Privileg zugleich.

Prof. Dr. Daniela Jacob ist Meteorologin und Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS) und Gastprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg.

„Die Welt im Umbruch. Wohlstand neu denken“. Der Klimawandel, die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg auf die Ukraine stellen uns vor bisher nicht vorstellbare Herausforderungen. Wir wenden uns in unserem neuen Jahrbuch konkreten Handlungsfeldern zu und entwerfen Perspektiven, um Wohlstand mehrdimensional zu erfassen. Dabei orientieren wir uns an den drei Förderschwerpunkten der Hanns-Lilje-Stiftung im Dialog mit Kirche und Theologie:

  • die Bedeutung von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft für das Leben,
  • die Zukunft von Politik und Gesellschaft,
  • die bildende Kraft von Kunst und Kultur.

Möchten Sie das Jahrbuch in gedruckter Form lesen? Schreiben Sie bitte eine Mail an info@lilje-stiftung.de. Wir senden es Ihnen gern zu.