Hanns-Lilje-Stiftungspreis Freiheit und Verantwortung 2019 verliehen

Nachricht 09. Mai 2019

Die Bochumer Theologinnen Prof. Dr. Claudia Jahnel und Prof. Dr. Rebekka Klein wurden mit dem Hanns-Lilje-Stiftungspreis Freiheit und Verantwortung ausgezeichnet. Sie teilen sich den mit 10.000 Euro dotierten Preis für wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten.

Mehr als 200 Gäste feierten in der hannoverschen Marktkirche die Preisträgerinnen des „Hanns-Lilje-Stiftungspreises Freiheit und Verantwortung 2019“. Die Auszeichnung wird seit 2010 von der hannoverschen Hanns-Lilje-Stiftung verliehen. Mit 10.000 Euro ist er der höchst dotierte Preis, den kirchliche Stiftungen an Nachwuchswissenschaftler/innen vergeben. Ausgezeichnet wurden diesmal herausragende wissenschaftliche Arbeiten, die sich innovativ mit Fragen zur Zukunft von Politik und Gesellschaft auseinandersetzen.

Die Theologin Prof. Dr. Claudia Jahnel nahm am Abend die Auszeichnung für ihre herausragende wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema „Interkulturelle Theologie und Kulturwissenschaft“ in Empfang. Prof. Dr. Rebekka Klein konnte nicht anwesend sein, um die Auszeichnung für ihre gesellschaftspolitische Arbeit „Depotenzierung der Souveränität“ entgegenzunehmen.

Dr. Thomas Schodder, Mitglied des Kuratoriums der Hanns-Lilje-Stiftung, und Prof. Dr. Christoph Dahling-Sander, Geschäftsführer der Hanns-Lilje-Stiftung, sprachen die Laudationes.

Die Preisverleihung fand im Rahmen der Diskussion zur Frage „Kann Kirche Demokratie?“ mit dem Fernsehjournalisten Arnd Henze und Landesbischof Ralf Meister statt.

Alle zwei Jahre wird der „Hanns-Lilje-Stiftungspreis Freiheit und Verantwortung“ zu wechselnden Themenschwerpunkten verliehen. Ziel der Hanns-Lilje-Stiftung ist es, so den Dialog von Kirche und Theologie mit Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Kunst und Politik zu fördern und zukunftsorientierte Debatten anzuregen. Eine siebenköpfige Jury aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen wählte die Preisträger aus.

Die Begründung der interdisziplinär besetzten Jury:

1. Prof. Dr. Claudia Jahnel

Mit dem scharfsinnigen Brückenschlag zwischen Kulturwissenschaft und Afrikanischer Theologie überzeugt Prof. Dr. Claudia Jahnel die Jury. Ihr gelingt es, Anregungen für Migrationsdebatten wie auch für Diskurse in der Entwicklungspolitik zu geben. Im Zentrum steht dabei die Entdeckung der gesellschaftlichen und politischen Relevanz afrikanischer Theologien. Höchst sensibel und äußerst versiert analysiert sie dazu die Konstruktionen von Kultur. Die exzellente wissenschaftstheoretische Reflexion interkultureller Herausforderungen macht deutlich, wie sehr aktuelle politische und gesellschaftliche Debatten noch durch koloniale Denkmuster und abwertende Fremdzuschreibungen geprägt sind. „Das mit afrikanischer Theologie Bezeichnete liegt nicht einfach als gegeben vor, sondern ist – so wie auch die Erfindung „Afrikas“, „der Afrikaner“ oder „der afrikanischen Kultur“ – das Ergebnis einer machtvollen Wissensproduktion.“ Die Analyse Jahnels bietet dagegen auf höchstem Niveau einen differenzierten Neuzugang. Afrikanische Theologien – und dementsprechend auch europäische / westliche Theologien – analysiert sie als Produkte zahlreicher kultureller, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Diskurse, die transnational und interkulturell bzw. transkulturell geprägt sind. Gerade deshalb spricht sie von „Interkultureller Theologie“ – Interkulturelle Theologie als eine Suche nach einer relationalen Wahrheit, kritisch und selbstreflexiv. So legt sie Grundlagen für wechselseitige interkulturelle Lernprozesse, in denen Theologie hier wie dort Wirkung in Politik und Gesellschaft zu entfalten vermag. Damit stößt Jahnel beispielgebend neue Diskurse an, die weit über die Theologie hinausgehen und das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft fördern.

 

2. Prof. Dr. Rebekka Klein

Mit ihrer Habilitation überzeugt Prof. Dr. Rebekka Klein die Jury durch ihre außerordentliche Versiertheit, die politischen Philosophen Claude Lefort und Slavoj Žižek mit Karl Barth, dem schulbildenden Theologen des 20. Jahrhunderts, produktiv ins Gespräch zu bringen. Die Fragestellung Kleins ist hoch relevant für das gesellschaftliche Zusammenleben in vielen Ländern: Rufe nach einem starken Staat drohen Demokratien auszuhöhlen. Staatliche Souveränität als Grundlage einer freiheitlichen, demokratischen und pluralen Gesellschaft soll durch rechtspopulistische und nationalistische Bewegungen neu definiert werden. Die damit verbundenen Konstruktionen staatlicher Macht, die zum Teil religiös begründet werden, fordern mit anderen Worten zu einer wehrhaften Demokratie heraus. Kleins Beitrag liegt darin, die emanzipatorische Kraft philosophischer und theologischer Begründungen für eine staatliche Souveränität herauszuarbeiten und gleichzeitig diese aber auch in Frage zu stellen. Die Bekämpfung neuer Ideologien könne durchaus ideologisch sein, müsse sich aber selbst einer steten Ideologiekritik unterwerfen. Dies gelte für philosophisch wie auch für theologisch begründete Kritiken an totalitärem Denken und Handeln. Mit anderen Worten: Depotenzierung der Souveränität als reflexive Ideologiekritik ist nötig und dafür bieten sowohl Philosophie als auch Theologie ein hohes Potential.

Die brillante Studie leistet einen fundamentalen Beitrag zu hochaktuellen Debatten und ist letztlich ein scharfsinniges Plädoyer für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung. Sie zeigt in hervorragender Weise die Wirksamkeit von Philosophie und Theologie für die Zukunft von Politik und Gesellschaft.