Der frühere Bundespräsident Christian Wulff (CDU) wünscht sich den 23. Mai als Verkündungstag des Grundgesetzes als nationalen Feiertag. „Dieses Grundgesetz ist die Grundlage, dass es uns allen so gut geht und weiterhin gut gehen wird. Deswegen sollten wir den Tag feiern“, sagte Wulff am Dienstagabend beim Hanns-Lilje-Forum in der hannoverschen Neustädter Hof- und Stadtkirche. Dieser neue Feiertag solle einen bestehenden ersetzen.
Wulff würdigte die Väter und Mütter des Grundgesetzes als „visionär“. Sie hätten nicht nur Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit vorausgedacht, sondern auch die Wiedervereinigung und das vereinte Europa. Wulffs Einschätzung zufolge wären sie heute verblüfft über diese Erfolge – aber auch „erschüttert, dass das Vergessen das Erinnern besiegen kann“.
In Deutschland sei „aus Trümmern eine Goldgrube entstanden“, sagte Wulff. Solche Geschichten von politischem und wirtschaftlichem Erfolg Deutschlands erzähle jedoch kaum jemand. Auch eine Zukunftserzählung fehle Deutschland. Die Stimmung sei „aggressiv aufgeladen“ und die AfD zeichne „das falsche Bild von einem verkommenen Land“. Deutschland brauche große Veränderungen für eine menschliche und klimaneutrale Zukunft, sagte Wulff. Diese könnten jedoch nur gemeinsam und demokratisch entstehen.
Wulff rief dazu auf, politischen Parteien beizutreten und die Arbeit von Politikerinnen und Politikern wertzuschätzen. Dazu sei es wichtig, andere Meinungen auszuhalten, wirklich zu verstehen und zu vertrauen. „Die Demokratie ist angewiesen auf Demokratinnen und Demokraten“, sagte er. Die Weimarer Republik sei als erster Versuch einer deutschen Demokratie schon nach 14 Jahren gescheitert. Die Bundesrepublik als zweiter Versuch „darf niemals scheitern“, sagte er.
An Politikerinnen und Politiker appellierte Wulff, weniger bevormundend zu sprechen: „Wir oben können nichts machen, ohne dass ihr unten mitmacht – dieses Geständnis gibt es zu selten.“ Die Autorinnen und Autoren des Grundgesetzes seien demütiger und bescheidener gewesen, als viele Politikerinnen und Politiker heute zumindest wirkten.
Um seine Erfolgsgeschichte fortzusetzen, brauche Deutschland Zuwanderung, unterstrich Wulff. Diese müsse natürlich geregelt sein, dürfe aber nicht nur problematisiert werden. „Diejenigen, die in ein fremdes Land kommen, sind mutig, sind tatendurstig und bereit, etwas zu leisten“, sagte Wulff.
(Text: epd)