Die Preisträgerin in der Kategorie Wissenschaftspreis

Dr. Tatjana Schnütgen (Fotostudio Zacharias)

Tanz zwischen Ästhetik und Spiritualität. Theoretische und empirische Annäherungen
(Dissertation, Göttingen 2019)

Dr. phil. Tatjana Schnütgen, Pastorin, Religionspädagogin und Tänzerin, ist Theologische Referentin im Evangelischen Bildungswerk Regensburg e.V. sowie Lehrbeauftragte am Institut für Evangelische Theologie an der Universität Regensburg. Sie schloss mit der vorliegenden Arbeit 2017 ihr Promotionsverfahren an der Universität Regensburg mit „Summa cum Laude“ ab.

Die Dissertation leistet einen interdisziplinären Beitrag zum Verständnis religiöser Gegenwartskultur. Sie klärt den Zusammenhang von Tanz, Spiritualität und Kunst als ästhetische Praxis, die über den Weg der ästhetischen Erfahrung spirituelle Räume eröffnet. Zeit- und Raumkonzepte bedenkt sie ebenso wie soziale Phänomene. Dies verschränkt sie mit dem Themenfeld „Körperlichkeit, Bewegung und Tanz in Bibel und Theologie“. Sie arbeitet die weitgehend noch jungen Körper- und Tanzkonzepte in der Theologie systematisch auf und setzt sie in Beziehung zu grundlegenden, nichttheologischen Konzepten des Tanzes und der Körpererfahrung. Auf der Grundlage qualitativer Interviews mit Tänzer/innen verschiedener Stilrichtungen zeigt sie außerdem, wie unterschiedlich diese kirchlich beheimatet sind und welch innovative spirituelle Praxis sie entwickeln.

Die Jury:

Mit ihrer Dissertation überzeugt Dr. Tatjana Schnütgen die Jury durch ihre außerordentliche Versiertheit und ihre Innovationskraft, sich dieses Themas anzunehmen. Tanz in der Kirche galt viele Jahre als Nischenphänomen, das weder kirchlich noch wissenschaftlich viel beachtet wurde. Die Praxis hat sich jedoch weiterentwickelt. Es setzt sich der Gedanke durch, dass Verkündigung nicht nur durch Wort und Musik erfolgen kann, sondern auch durch Körperlichkeit und Tanz. Doch eine wissenschaftliche Aufarbeitung fehlte bislang. Diese legt Tatjana Schnütgen nun vor: systematisch, interdisziplinär angelegt und empirisch fundiert bringt sie Kulturwissenschaft und Tanz exzellent ins Gespräch mit Kirche und Theologie. Ihre Arbeit erweist sich als ein wegweisendes Grundlagenwerk. Sie reflektiert Tanz in der Kirche als ästhetische Erfahrung, die spirituelle Räume eröffnen kann, ohne dass diese Erfahrungen theologisch vereinnahmt werden. Die transformative Kraft des Tanzes wird theoretisch expliziert anhand von Ritualtheorien und ästhetischen Theorien. So kreiert sie eine tragfähige Brücke zwischen der Welt und Geschichte des Tanzes außerhalb der Kirche einerseits und der Praktischen Theologie einschließlich religiöser Praxis andererseits. Schnütgen legt plausibel dar, dass in der Präsenz des Tanzes körperfreundliche Dimensionen die Liturgie, die Gemeinde- und Religionspädagogik ganzheitlich beleben. Ganz im Sinne des ausgelobten Stiftungspreises stößt Schnütgen damit beispielgebend und auf höchstem Niveau neue Diskurse an, die weit über die Theologie hinausgehen und die bildende Kraft von Kunst und Kultur im Dialog mit Kirche und Theologie vorantreiben.