Die Nominierten für den Hanns-Lilje-Stiftungspreis Freiheit und Verantwortung 2019

Nominierungen in der Kategorie Wissenschaftspreis

Prof. Dr. Claudia Jahnel

Interkulturelle Theologie und Kulturwissenschaft. Untersucht am Beispiel afrikanischer Theologie
(Habilitation, Stuttgart 2016)


Prof. Dr. Claudia Jahnel habilitierte mit dieser Arbeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Habilitation analysiert die „kulturwissenschaftlichen Wenden“ (cultural turn), besonders die von der Missionswissenschaft hin zur Interkulturellen Theologie. Diese bringt sie produktiv mit afrikanischer Theologie ins Gespräch. Im Diskurs von afrikanischer Philosophie und Theologie deckt sie Kulturkonstruktionen auf, die sich wechselseitig beeinflusst haben. Diese Kulturen haben demnach eine enorme politische und gesellschaftliche Relevanz in afrikanischen Kontexten, gleichwohl sie auch vielfach instrumentalisiert würden. Dies verdeutlicht die Verfasserin an den Grundthemen Zeit / Geschichte, Raum, Körper, agency (Handlungsfähigkeit, Aktivität und Wirkung). Sie zeigt transnationale Verflechtungen auf, die in afrikanische Theologien einfließen und Geltung beanspruchen. So stellt sich nach Jahnel „die afrikanische Kultur“ als vermeintlicher Kontext „afrikanischer Theologie“ als eine zutiefst europäische Verbindung und dichotomisierende Erfindung dar. Den Abwertungen des „Anderen“ bzw. „Fremden“, die sie auf die Kolonialzeit zurückführt, entzieht sie damit den Boden. Für postkoloniale Debatten legt sie dar, dass stereotype Dichotomisierungen und binäre Konstruktionen keine sachliche Grundlage mehr hätten. Stattdessen gelte es, interkulturelle Lern- und Arbeitsprozesse zu fördern, wie sie in afrikanischen Theologien bereits angelegt seien.

Dr. Claudia Jahnel ist seit 2017 Professorin für Interkulturelle Theologie und Körperlichkeit an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

 

Prof. Dr. Rebekka Klein (Foto: © Tim Kramer)

Prof. Dr. Rebekka Klein

Depotenzierung der Souveränität. Religion und politische Ideologie bei Claude Lefort, Slavoj Žižek und Karl Barth
(Habilitation, Tübingen 2016)


Prof. Dr. Rebekka Klein habilitierte mit dieser Arbeit an der Universität Rostock. Ihre Leitfrage ist, ob und wie in der Moderne eine gesellschaftliche bzw. staatliche Ordnung möglich ist. Damit reagiert sie auf gegenwärtige Bedrohungen demokratischer Ordnungen westlicher Prägung: In Gestalt rechtspopulistischer und nationaler Bewegungen werde eine neue starke staatliche Souveränität gefordert und damit eine freiheitlich-demokratische Ordnung quasi von innen autoritär ausgehöhlt.

Klein hält an dem Gedanken der Souveränitätsmacht fest, den sie allerdings nicht als Erbe der Theologie, sondern als Produkt der politischen Einbildungskraft des Menschen sowie seiner Existenz in ideologischen Konstruktionen und Narrativen sieht. Hier werde dem Glauben und der Theologie zugesprochen, ein wirksames Element zur Stiftung neuer Ideologien zu sein, sowohl in der Politik als auch in der Theologie. Deshalb setze an dieser Schnittstelle, so Klein, die philosophische und theologische Ideologiekritik an, die Depotenzierung der Souveränität, wie sie es nennt.

Dazu analysiert die Autorin die Souveränitätsentwürfe der politischen Philosophen Claude Lefort aus Frankreich (1924-2010) und des in London lehrenden Slowenen Slavoj Žižek (geb. 1949) sowie des Theologen Karl Barth (1886-1968) und bringt sie miteinander ins Gespräch. Das sei möglich, weil alle drei auf Potenziale der Theologie zurückgriffen. Sie versuchen, so Klein, jeweils die Figur der Souveränität weiter zu entwickeln, indem sie sie „ideologiekritisch analysieren, entschärfen, ihre Wirksamkeit subversiv durchbrechen oder sie durch emanzipatorische Souveränitätsfiguren umbesetzen.“ (S. 16)

Im Blick auf Karl Barth urteilt sie, dass er politisch totalitäres Denken und Handeln wirksam bekämpfte, indem er menschliche Autoritäts- und Wahrheitsansprüche theologisch unterlief. Er unterstrich, dass allein Gottes Macht im Letzten wirklich und menschengerecht sei. Wirkliche Freiheit gründe allein im Wirken Gottes. Klein arbeitet heraus, dass er im Grunde eine Ideologie durch eine andere Ideologie bekämpfe: das souveräne Handeln Gottes in Jesus Christus. Diese christliche Botschaft habe durchaus eine emanzipatorische Kraft, müsse sich aber auch selbst immer wieder hinterfragen.

Ihr Fazit: Es bleibt festzuhalten, dass nicht das Ideal einer vollkommenen Ideologiefreiheit oder einer Säuberung der Souveränitätsfigur von allen ideologischen Anteilen das erklärte Ziel ideologiekritischer Studien in religionsphilosophischer Absicht sein kann. … Vielmehr kann es auch in Zukunft nur darum gehen, das Problem der Ideologisierbarkeit der Souveränität wachzuhalten und dieses permanent neu zu artikulieren und zu bearbeiten.“ (S. 286)

Dr. Rebekka Klein ist seit 2017 Professorin für Systematische Theologie / Ökumene und Dogmatik und Direktorin des Ökumenischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum.